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  • Autorenbildmadamedamm

"Zu Tisch, bitte!"

Aktualisiert: 23. Nov. 2023

Manchmal denke ich schon: Das kann jetzt echt nicht wahr sein. Wenn die Eine just in dem Moment vom Tisch aufspringt, in dem ich mir die erste Gabel zum Mund führe. Weil sie aufs Klo muss. Oder vergessen hat, das Handy zu laden. Meist kratzt im selben Moment auch schon der zweite Stuhl hörbar übers Parkett. „Bin satt!“, verkündet fröhlich eine der Schwestern und stößt sich mit Schwung von der Tischkante ab.

„Moment, Moment“, rufen mein Mann und ich mit vollen Mündern. „Wir essen doch noch!"

Kekse, Kerzen und Croissant auf einem Tablett auf dem Esstisch
Alle um einen Tisch? Kleines Kunststück (Foto: Anette Göttlicher)

Kurz erinnern mich Szenen wie diese an vergangene Babyzeiten und die unumstößliche Tatsache, dass es noch nie leicht war, das Gemeinsam-in-Ruhe-Essen. Noch jedes Baby hat uns verlässlich davon abgehalten. All unsere Säuglinge erwachten pünktlich aus dem tiefsten Schlaf, sobald mein Mann und ich uns auch nur in Richtung Tisch begaben − oder noch beim ersten Kind auf leisen Sohlen zwei Teller am Stubenwagen vorbei in Richtung Couch balancierten.


Damals dachte ich: Das wird alles leichter, wenn sie mal groß sind.


Aber nein. Viel näher liegt der Verdacht, dass in Kindern eine geheime Zeitschaltuhr eingebaut ist, die Alarm schlägt, sobald ihre Eltern sich an einer gemeinsamen Mahlzeit versuchen. Wobei ich mich bei unseren Babys immer noch damit tröstete, dass sie wohl einfach dabei sein wollten, Teil unserer illustren Runde. Bei unseren Fast-Teenies habe ich ganz im Gegenteil Grund zur Annahme, sie wollten der gemeinsamen Tischsituation schnellstmöglich entfliehen.


„Jeder esse, was er kann, nur nicht seinen Nebenmann*!“

*Nebenfrau


Wenn unsere Kleinste heute zum Tischspruch ansetzt, den sie aus dem Kindergarten mitgebracht hat, erinnere ich mich an die Mittagessen in meiner eigenen Kindheit. Nicht weil es da einen Tischspruch gegeben hätte, nein. Vielmehr deshalb, weil… Meine Eltern und Geschwister, wir fraßen uns tatsächlich täglich fast. Die Stimmung beim gemeinsamen Mittagessen war explosiv. Oft reichte ein Kaugeräusch und der oder die andere flippte aus.


Ich verstehe also gut, wenn Eltern sagen: „Uff! Das ist mir zu anstrengend!“ Im selben Moment steht ja auch die Frage im Raum: „Wie sollen wir das denn überhaupt rein organisatorisch schaffen?“ Zu Recht. Denn Fakt ist: Gemeinsame Mahlzeiten sind in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung im Alltag mit Kindern! In den ersten Jahren sind es die Bedürfnisse unserer Babys und der Bewegungsdrang unserer Kleinkinder, die uns von allzu gemütlichen Runden abhalten. Später ist es meist der hektische Alltag, der uns mit seinen Terminen und Verpflichtungen dazwischen grätscht. Wenn beide Eltern berufstätig sind, die Kinder über Mittag in die Schule gehen, den Hort besuchen und nachmittags noch ihre Hobbies pflegen, sind die Stundenpläne von Eltern und Kindern oft schwer genug vereinbar.


„18 Uhr, ich hör‘ dir zu!“


Am Ende eines Tages sind wir als Eltern oft dankbar und froh, wenn sich die Termine der einzelnen Familienmitglieder einigermaßen gut ausgegangen sind. Da dann noch Stress machen ums gemeinsame Abendbrot um sechs? Nein, Danke! Gleichzeitig ist aber auch klar: Essen müssen wir alle. Warum dann nicht gleich gemeinsam?


Es gibt viele gute Gründe für eine gemeinsame Familienmahlzeit. Zum einen bringen wir mit ihr Struktur in unseren Tag. Gleichzeitig schenken wir uns und unseren Kindern durch Rituale Sicherheit. Zum anderen belegen Studien, dass gemeinsame Mahlzeiten den Zusammenhalt in der Familie stärken. Wenn wir regelmäßig zusammensitzen, schaffen wir im besten Fall viele positive Erlebnisse. Na klar, die verbinden!


Mit einem gemeinsamen Abendessen nehmen wir uns schließlich nicht nur Zeit zum Essen. Wir nehmen uns Zeit füreinander. So kann ein Abendessen zu einer Insel werden, auf die wir uns am Ende eines hektischen Tages flüchten. Wir begegnen uns in einem geschützten Raum, genießen gemeinsam und haben die Gelegenheit, uns reihum und in Ruhe von unserem Tag zu erzählen. Jedes Kind findet so seinen Platz in der Familie und oft sind es ausgerechnet die Großen, die besonders viel zu erzählen haben, wenn sie denn mal die Ruhe dazu gefunden haben.


Wenn wir gemeinsam essen,

… kommen wir zur Ruhe,

… tauschen uns aus,

… nehmen Anteil,

… genießen,

… lachen

… und wachsen als Familie!


Dabei sollten wir eines nicht vergessen: Wenn eine gemeinsame Mahlzeit irgendetwas auf keinen Fall sein sollte, dann ein weiteres To-Do auf unserer Liste. Vielmehr sollte sie ein Ritual sein, das alle gleichermaßen schätzen und genießen. Damit das klappen kann, müssen wir als Eltern zugegebenermaßen erst einmal kräftig durchatmen und uns ein Stück weit zurücknehmen. Das ist nicht leicht. Schließlich haben wir selbst einen langen Tag hinter uns, sind erschöpft und hätten viel zu sagen. Oder vielmehr zu erziehen? Trotzdem vermeide ich es tunlichst zu maßregeln, zu schimpfen oder zu korrigieren, wenn wir denn mal endlich beisammensitzen. Vielmehr bemühe ich mich, einfach nur zuzuhören. Jedem Kind seinen Raum zu geben. Auf dass wir einander sehen mit all unseren Alltagspäckchen, die jede*r Einzelne von uns gerade zu tragen hat, Verständnis füreinander aufbringen und Empathie entwickeln.


Eine Portion Aufmerksamkeit, Geborgenheit und Genuss!


Als Eltern können wir viel Druck rausnehmen, wenn wir unsere Ansprüche runterschrauben bei der Frage, was auf den Tisch kommt. Für die Kinder ist das wichtig, klar. Bei uns plädieren sie in der Regel für eines der drei folgenden Gerichte: Lasagne, Grießbrei mit Zimt, Zucker und Kirschen oder Kürbissuppe. Generell gehen Suppen immer gut. Fischstäbchen mit Kartoffelbrei auch.


So wichtig es auch sein mag, dass wir uns gesund und ausgewogen ernähren, so klar ist auch, dass es um so viel mehr geht als die reine Nahrungsaufnahme, wenn wir gemeinsam essen. Für mich bedeutet eine gemeinsame Mahlzeit z.B. nicht zwangsläufig die klassische Tischsituation. Abends essen die Kinder und ich gerne mal auf dem Küchenboden. Auch damit schaffen wir eine Verbindung. Und am Ende wird es ganz sicher nicht darum gegangen sein, was auf den Tisch…äh, Boden gekommen ist, als vielmehr darum, dass wir als Familie zusammenkommen. Wenn es dann noch schmeckt: Wie wunderbar!


Dieser Text ist bereits in "starke eltern, starke kinder" erschienen, dem Magazin des Deutschen Kinderschutzbundes.


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