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  • Autorenbildmadamedamm

Tomaté? Namasté!

Wir lernen gerade zum vierten Mal das mit dem Lesen. Warum wir jeden neuen Buchstaben ganz herzlich begrüßen, bei welchem wir gerade sind und wie wir uns zum Üben motivieren.

Ein Kind sitzt am Tisch und liest im Leselernheft
Buchstabe um Buchstabe, Wort um Wort - bis zum Buch

Wir sind gerade bei Ss. Mit fehlendem Schneidezahn ist das für unsere Erstklässlerin im Moment schwierig auszusprechen. Die Zunge rutscht ihr durch die Lücke und es wird schnell ein „th“ draus. Aber das passt gut, denn das mit dem „th“ lernt unsere Drittklässlerin gerade. Sie hat großen Spaß an ihren ersten Englischstunden, hält sich gar nicht erst auf mit dem „th“, macht einfach gleich ein „f“ draus. Die Großen rufen dann: „Nicht „F! Th!“ Und dann kommt die Kleinste und korrigiert: „Ist doch ega-al. Sagt sie halt Es!“


Puh, wo fangen wir da an? Wo machen weiter?


Schneller als ich zur Erklärung ausholen kann, wedelt mir unser Erstklasskind auch schon mit dem Hausaufgabenblatt unter der Nase und lässt sich rücklings auf meinen Schoß plumpsen.

“T…o…To…To…m…Tom…Tom…a…Toma…Toma…t…Tomat…Tomat…e…T-o-m-a-t-é!”

„Bravo, mein Schatz! Gut zusammengesetzt, die Buchstaben. Boa schau, wie viele!“, lobe ich und denke: „Tomaté? Namasté!“ Aber da springt der göttliche Funke auch schon über. Ich kann dabei zusehen: Mein kleiner Schatz legt die Stirn in Falten, guckt in die Ferne, wackelt mit der Zunge am verbliebenen zweiten Schneidezahn. Ich zähle im Kopf zurück: 3, 2, 1… und: Klick!


„Tomate!“, ruft sie.

Sie hat's!


Manchmal ist es für mich das Schwierigste, die Klappe zu halten, nicht reinzuquatschen, nicht zu helfen, nicht drängelig zu sein, ja, dem Drang zu ermutigen, nicht nachzugeben. Sondern einfach nur daneben zu sitzen und darüber zu wachen, dass das Leselernkind einen schönen, ruhigen Moment an einem schönen, ruhigen Ort hat. Was bei uns gleich die nächste Herausforderung ist. Denn immer – wirklich immer! – quäken mindestens zwei rein. Das war schon so, als die Erste hier das Lesen gelernt hat… Wir jubeln jedenfalls gerade noch, da fragt mein Schatz:


„Und wo war jetzt da das „th“?


Das Göttliche in mir grüßt das Göttliche in dir! Es steckt in uns allen. Wir werden das lernen. Buchstabe um Buchstabe, Wort um Wort, Satz um Satz… bis wir irgendwann beim Buch ankommen! Das Buch ist unser Ziel! Dann haben wir’s geschafft!


Ich war mir sehr sicher, na, dass da nun noch ein Kind kommen muss, das nicht gerne liest. Jetzt ist es genau andersrum. Unserem vierten Kind kann es gar nicht schnell genug gehen mit diesen Buchstaben. Im Moment ist das zumindest so. Das kann sich ändern. Das wird sich ändern.


Aber bis dahin will ich, dass sich das Lesenlernen leicht anfühlt für mein Leselernkind.


Dafür ist sicherlich eine gewisse Reife erforderlich. Sei es durch die Erfahrung, dass es etwas Schönes ist, in eine Geschichte einzutauchen wie in eine fremde Welt. Ich lese selbst sehr gern. Und schreibe ja nun auch. Warum? Auch weil ich dabei gemütlich sitzen kann.

„Mein Kind liest überhaupt nicht gern!“, höre ich jetzt meine Freundin blöken. Und klar, die einen lesen lieber, die anderen weniger gern. Ich denke aber ja, wenn ein Kind nicht gerne liest, ist es schlau, sich zu überlegen: Wo fühlt sich mein Kind wohl? Wo kommt es zur Ruhe? Und: Wofür interessiert es sich? Oft ist da einfach viel Druck. Auch weil wir Eltern denken, oh, das muss jetzt aber klappen! Um das abzustreifen, entkoppele ich das Lesenlernen für uns vom Lesen-müssen, vom Üben für die Schule.


Wenn wir hier ein Buch lesen, quatschen wir dabei ganz viel. So oft schon hatten die Kinder mehr Fragen als ich Antworten. Dann hilft mir das Buch, ein Stück weit zu erklären. Bücher helfen aber auch unseren Kindern. Sie vergrößern ihren Wortschatz. Sie fördern Kreativität und steigern das Mitgefühl. Und die Konzentrationsfähigkeit, die auch! Zum Schluss machen sie dann tatsächlich auch fit für die Schule. Allein weil sich uns einfach alles leichter erschließt, wenn wir keine Kraft hineinstecken müssen ins Lesen!


Unsere Jüngste ist stolze Besitzerin eines Lese-Passes.


Eine Unterschrift bekommt sie für zehn Minuten laut lesen. Von ihrer Lehrerin gibt's einen Glitzer-Aufkleber oder Smiley-Stempel für zehn Unterschriften. Ich finde das schön, ihr macht das Spaß. Aber wir machen es uns leicht. Bei uns zählt zu „Lesen“, wenn sie sich die Bücher ihrer Schwestern schnappt und abends im Bett mit der Taschenlampe die kleinen „i“s rausfischt aus dem langen Text. Und ich unterschreibe auch, wenn sie mir strahlend entgegenruft: „T wie T-omaaa-t-é!“ Es soll doch Spaß machen! Und leicht sein!

In diesem Sinne wollen wir jeden einzelnen Buchstaben und jedes mühsam zusammengesetzte Wort begrüßen mit einem freundlichen Namasté. Und wenn’s dann erstmal mit der Tomaté klappt, dann klappt’s ganz sicher auch ganz schnell mit all dem anderen Buchstaben-Gemüse!


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