Wenn mein Baby allein zum Zahnarzt geht, auf dem Weg zum Ballett unaufgefordert noch schnell Zahnpasta kauft, weil wir seit drei Tagen den letzten Rest aus der Tube quetschen, und bei den Nachbarn babysittet, dann wird mir kurz schlecht. Weil ich denke: „Oh nein, oh nein, mein Baby ist weg!“
Meine Babys werden groß und größer. Und ich kann ihnen gar nicht mal mehr dabei zusehen. Denn das passiert nicht mehr einfach so über Nacht. Bisher verhielt es sich meist so, dass ich nach den Sommerferien, nach einem grippalen Infekt (oder sonstiger Krankheit, die über die Standardschnupfennase von September bis April hinaus geht) oder am Tag nach ihrem Geburtstag plötzlich merkte, dass ihre Füße immens gewachsen waren. Sie flüssiger sprachen. Oder nach neuen Herausforderungen lechzten! Etwa samstags lieber allein zum Bäcker gehen wollten. Oder nie dagewesene feinmotorische und nervliche Kräfte aufbringen konnten, um die Schleife an ihren Schuhen selbst zu binden. Weil:
„Das kann ich schon, Mama!“
In solchen Momenten hatte ich immer ganz deutlich spüren können: Ui, da hat sich was getan! Wir bewegen uns in neuen Gefilden, es geht voran, mein Schatz wird groß. Irgendwann hat sich das aber verselbständigt. Oder ist für mich unsichtbar geworden? Schleichender? Ich kann gar nicht zählen, wie viele Entwicklungsschritte ich verpasst haben muss, denn ganz plötzlich – aus dem Nichts! – ist mein Baby kein Baby mehr. Mein Baby ist jetzt Babysitter!
Seit einiger Zeit schon hütet unsere Tochter mehr oder weniger regelmäßig unsere Nachbarskinder wie auch die Nachbarskinder der Nachbarskinder. In manchen Wochen verdient sie damit mehr als ich, aber das ist nur gut so. Ich bin doppelt baff, wenn ich merke, dass meine Tochter diesen Job immer fröhlich und ziemlich entspannt vollbringt.
Immerhin macht sie da nicht nur einen verantwortungsvollen Job, sondern auch einen, der mich persönlich schon ordentlich ins Schwitzen gebracht hat.
Ihr Standard-Repertoire ist das volle Abendprogramm: müdespielen, wickeln, Abendessen (zubereiten, servieren, gemeinsam genießen), Zähne putzen, Buch vorlesen, auf Wunsch selbst eine Geschichte dichten plus Einschlafbegleitung. Besonders stolz bin ich, wenn sie mir erzählt, welchen Quatsch das Geschwisterpärchen im Nachbarhaus mal wieder angestellt hat, um noch ein paar Minuten Wachzeit rauszuschinden, und dass sich das kleine Mädchen von nebenan mit „Kö-lle, A-laaf, A-laaf! Kö-lle, Alaaf!” selbst in den Schlaf gesungen hat, während sie auf der Matratze daneben lag und sich das Lachen nur schwer verkneifen konnte.
„Sie werden ja so schnell groß!“
Wie oft habe ich das gehört!? Und immer bei mir gedacht: „Was’n das’n Omaspruch!?“ oder „Jaa, jaa.“ Aber es stimmt eben. Sie werden sehr schnell groß. Und ich freue mich, wenn ich mein großes Baby nach getaner Arbeit ins Bett begleite, wir uns gemeinsam erinnern, wie das bei uns mit dem Zubettgehen früher war, was wir gerne gelesen und wie schief wir gesungen haben. Dass wir Eltern es meist waren, die zuerst einschliefen...
Dann streichele ich meinen großen Schatz über den Schopf und schleppe mich glücklich selbst ins Bett. Denn mein Baby ist noch da. Tief drin in diesem großen Babysitter-Kind!
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