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Autorenbildmadamedamm

Dreiundvierzig

Im August habe ich meinen 43. Geburtstag gefeiert. Auf Mallorca am Strand, mit den Füßen im Sand, dem üblichen Familienurlaubschaos im Rücken, die Zehennägel leuchtend rot lackiert - zum Zeichen.

Füße mit rot lackierten Nägeln im Meer mit Blick auf den Strand

Tage wie diese sind für alles, was da kommt, dachte ich, als ich da rücklings vor unserer Lieblingsbadebucht in den Wellen schwappte mit Blick auf meine hübschen Zehen. Wir sammeln. Jede:r für sich wie auch wir alle als Familie gemeinsam. Das Licht, die warme Luft, den Rhythmus, in dem das Meer ans Ufer schlägt, und all die kleinen Momente, die uns die Leichtigkeit des Sommers schenkt. Weil wir barfuß leben, essen, was uns heute schmeckt, viel lesen und allem voran: nichts müssen. Das nehmen die Kinder ganz besonders ernst!


Mein Mann und ich, wir müssen uns da gedanklich immer erst hinarbeiten.


Frühstück richten, bis wir checken, die Kinder nehmen sich den Joghurt genau so gern selbst aus dem Kühlschrank. Handtücher nach dem Baden aufhängen, bis wir uns erinnern: Ach guck, sowas können die selbst! Bei den Zähnen putzen wir nach. Das bleibt auch in den Ferien so. Sowas wie Mango schneiden auch lieber wir, zu groß die Angst, dass sich eine in den Finger hackt. Ist ja nicht so, dass wir das nicht schon gehabt hätten! Wobei das bisher immer noch meine Finger waren… Darf gerne so bleiben.


Naja, also jedenfalls hatte ich Geburtstag und weil ich Geburtstag hatte, gab’s keinen selbstgeholten Joghurt, sondern Muffins in unterschiedlichen Größen.

„Acht Kerzen,“ zählte ich laut an diesem, meinem Geburtstagsmorgen.

„Ja. Vier gelbe und… vier rote,“ bestätigte mein Mann mit einem Schmunzeln im Gesicht.

Wir lachten alle zusammen. Zumindest mein Mann, meine Mutter und die drei Großen. Unsere Jüngste wundert sich selten.


Um meinen Tellerrand lagen Blümchen in Orange, Lila, Pink. Ich wickelte eine Créme solaire 50+ aus dem orangefarbenen Knisterpapier und dachte kurz: „Ne, Mama, Moment, ich werde doch erst dreiundvierzig!“ Aber da drückte mir meine Tochter auch schon das nächste Päckchen in die Hand. Es war ein wunderschöner Tesafilmabroller mit Goldrand - von meiner Freundin!

„Die schenkt ihr jedes Jahr ein Werkzeug!“, rief unsere Neunjährige begeistert der Oma zu und ich überlegte kurz, ob das stimmen kann. Aber da musste ich auch schon ihr Geschenk öffnen. Es war ein winziges Schälchen vom Markt. „Das kann nicht kaputt gehen und wasserfest ist es auch!“, pries meine Tochter es an. Und ich freute mich. Wie praktisch veranlagt ein Kind schon sein kann!


„Und das ist vom Papa!“


Ich guckte in die kleine Tüte. Darin das Deo (in doppelter Ausführung!), auf das - wie wir eher zufällig erfahren durften – die coolste aller Skipperinnen unten im Hafen vertraut, wenn sie da ein Schiff auf hoher See durch die Wellen manövert, und auch  ihr Vater, den ich mir als bärtigen Seemann vorstelle, ein bisschen wie den Vater von Pippi Langstrumpf, was aber wahrscheinlich Quatsch ist.

„Gleich zwei?“, fragte ich mit den beiden Tuben in meinen Händen.

„Falls es das bei uns nicht gibt,“ zuckte mein Mann mit den Schultern. Und ich bedankte mich. Er weiß, wie doll ich im Alltag schwitzen kann! Dann bekam ich noch eine kleine, dunkelblaue Pool-Fliese. „Au fein! Die nehm‘ ich mit!“ Einen Quadratzentimeter Glück – zur Erinnerung.

 

Früher habe ich immer nur gern die Geburtstage der anderen gefeiert.


Durch meinen eigenen wollte ich lieber hindurchtauchen. „Ich brauch‘ nicht so‘n Bohei!“

Bis zu diesem einen Tag vor bald neun Jahren… Über diesen einen Tag habe ich schon geschrieben. Diesen einen Tag, der mein Leben von einem Moment auf den anderen in ein Vorher und ein Nachher teilte. Es war ein Tag im Januar, an dem ich von einem Tag auf den anderen mit einer Hirnblutung auf der Intensivstation lag und dachte: „Das war‘s!“ Seither ist mir meine eigene Endlichkeit schmerzhaft bewusst. Damals nahm ich mir vor: Wenn das mit mir ein gutes Ende nehmen soll (Nämlich erstmal gar keins!), will ich nicht länger durch mein Leben hetzen unter dem ständigen Druck, das schaffen zu müssen, was gar nicht schaffbar ist. Und mich auf das besinnen, was wirklich zählt: meine Familie, mein Schreiben, mein Leben im Hier & Jetzt. Wie auch jeden Geburtstag, der da kommen darf für mich!

 

Jetzt rase ich zum vierundvierzigsten Mal auf diesem Erdball um die Sonne. Ja, ist das denn zu fassen? Wenn ich mir was wünschen darf, dann wünsche ich mir, dass wir dieses Jahr ein bisschen langsamer fliegen. Denn alles ist gerade gut. Egal, was da war und egal, was da kommt. Auch wenn der Alltag bald wieder zerrt und zwickt, schon klar. Da kommen auch wieder Katastrophen. Wir wissen nicht, wann uns das Leben die nächste vor die Füße spuckt. „Und das ist auch gut so. Man stelle sich vor, wir wüssten das!“, höre ich meine Mutter sagen. Mit ihr im Ohr fällt es leicht, den Tag (auch) zu genießen.


Für mein neues Lebensjahr habe ich Pläne, Schönes vor und auch schon mutig etwas Neues probiert: Ich kann jetzt Kopfsprung! Die Kinder haben’s mir in diesem Sommer beigebracht. Und was soll ich sagen? Niemand muss Kopf voran ins Wasser springen. Aber ich fand’s toll! Ich musste 43 Jahre alt werden, um zu erleben, wie schön es ist, beide Hände unter Wasser frei zu haben. Einen Schwimmzug zu machen, das vorbei strömende Wasser im Gesicht zu spüren. Das mache ich jetzt öfter! Und so arbeite ich auch sehr darauf hin, dass es meine Geschichte – Ja! Die Kopfsache! Die ich zu schreiben begann, als ich damals in der Klinik lag! – zwischen zwei Buchdeckel schafft. Wie auch all die anderen Geschichten, die ich seither geschrieben habe, einen Weg zu dir finden sollen. Und bis dahin: Feiere ich den Tag! Immer mit ein bisschen Geburtstagsgefühl dabei… Machst du mit?


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